 |
 |
 |
 |
Ich
komme in Zagora am Nachmittag mit dem Bus an. Ich steige aus, will mir gerade
meinen Rucksack auf die Schulter heben, als mich ein junger Mann anspricht.
Ob ich ein Hotel brauche, denn gleich da vorne sei ein gutes. Ich frage
nach dem Preis, es ist billig und ich komme mit. Abdoul ist mit dem Hotelbesitzer
befreundet, er selbst betreibt eine kleine Karawanserei, die Wüstenwanderungen
organisiert. Im Hotel angekommen blättere ich im Gästebuch der
Caravane Mille Etoiles, betrachte die Fotos und lese die Berichte der Wüstenwanderer.
Ich brauche keine fünf Minuten um zu wissen, dass ich in die Wüste
möchte und buche eine Fünf-Tages Tour für den nächsten
Tag.
Am nächsten Morgen fahren Abdoul und ich mit dem Taxi an den Stadtrand
von Zagora, wo bereits das Kamel beladen wird. Das Kamel trägt das
Zelt, Proviant, Wasser (das extra für mich gekauft wurde) und meinen
kleinen Rucksack. Es bläst ein stürmischer Wind. Als alles fest
an unserem Kamel verzurrt ist, geht es los Richtung Süden. Nach ein,
zwei Stunden Fußmarsch und bei bleibender Windstärke bekomme
ich Zweifel, ob es richtig war, an einem solchen Tag loszugehen, denn je
weiter wir uns von Zagora entfernen, umso deutlicher formiert sich ein Wort
in meinem Kopf. Sandsturm.
Es ist später Vormittag, doch der Himmel ist dunkel wie zur Abenddämmerung.
Der Sand verdüstert den Horizont, peitscht so dicht durch die Luft,
dass die Sonne nicht mehr durchkommt. Abdoul an meiner Seite wirkt nervös,
wahrscheinlich macht er sich Sorgen, ob ich durchhalte, ob ich es schaffen
würde ohne auszurasten auf halber Strecke. Eingemummt in Tüchern
und mit der Sonnenbrille zum Schutz der Augen gegen stechende Sandkörner
setze ich immer nur einen Fuß vor den anderen, versuche an nichts
anderes zu denken. Das Gehen hilft, es ist eine Art Meditation gegen das
Zerren des Windes und gegen die Angst, im Sandsturm zu ersticken. Ein kurzes
Stück haben wir einen Begleiter. Es ist ein Nomade, der vom Markt in
Zagora zu seinem Lagerplatz zurückkehrt. Er hat riesige Hände
und Füße, abgegangen und abgearbeitet, und er hat unglaublich
lange Zähne, die mich beeindrucken. Den Gedanken an Zahnschmerzen lasse
ich schnell wieder fallen aus Angst, sie prompt herauf zu beschwören.
Der Sturm bläst unablässig und wir gehen bis zum Abend gegen ihn
an. Als wir unseren Lagerplatz erreichen, zieht er weiter und mit ihm sein
undurchdringlicher Schleier aus Sand. Als ob der Bühnenvorhang zum
Schlussakt aufgezogen würde, wird der Abendhimmel preisgegeben in einer
Schönheit und Milde, die die Strapazen und die zentimeterdicke Sandschicht
in Mund und Rachen als notwendiges Übel erscheinen lassen, sozusagen
als Eintrittskarte zu diesem besonderen Schauspiel der Natur. |